Die Einigkeit der Empörten – Eine Komödie in Moll
- Der Vater
- 25. Feb.
- 2 Min. Lesezeit

Es war einmal eine kleine Welt, in der sich die Menschen einig waren, dass sie sich uneinig sind. Ein schöner Zustand, dachte ich, denn Uneinigkeit ist der Motor des Fortschritts, des Dialogs und, am wichtigsten, der gepflegten Langeweileabwehr. Doch eines Tages geschah etwas Erstaunliches: Die Menschen fanden ein Thema, bei dem sie sich tatsächlich alle einig waren – sie waren empört.
Worüber sie empört waren, war dabei gar nicht so wichtig. Es schien, als sei die Empörung selbst zur Hauptfigur geworden, eine Art Superstar, der Autogramme auf Social-Media-Posts hinterliess und sich in Talkshows breit machte wie ein schlecht erzogener Kater auf dem Sofa.
Das Schaudern packte mich, als ich erkannte: Die Einigkeit der Empörten ist kein heiterer Kinderreim, sondern eine düstere Moritat. Denn in ihrer Einigkeit haben die Empörten keinen Raum mehr für das Nuancierte, das Überlegte, das Ungewisse. Die Welt wurde plötzlich flach, wie eine Pizza ohne Belag, ein Theater ohne Nebenrollen.
Einst war die Empörung eine ehrwürdige Dame, die aufstand, wenn Unrecht geschah. Sie sprach mit fester Stimme, zitterte nie, und wenn sie den Raum betrat, hörte man aufmerksam zu. Heute aber hat sie sich vervielfältigt, kopiert und multipliziert, bis sie in jeden Winkel dringt wie der Geruch von billigem Parfum. Sie ist laut geworden, schrill und, wie ich zu sagen wage, ein wenig peinlich.
Die Empörten marschieren im Gleichschritt. Sie tragen Schilder, die leuchten, und ein moralisches Sendungsbewusstsein, das so schwer ist, dass sie oft über ihre eigenen Füsse stolpern. Doch wehe, jemand wagt es, stehen zu bleiben, um die Marschrichtung zu hinterfragen. Der wird sogleich von der Einigkeit überrollt – oder, wie ich es nenne, "gemeinschaftlich verdampft".
Dabei, meine lieben Kinder, ist nichts amüsanter als ein kleiner Zwischenruf. Ein schüchternes "Aber …", gefolgt von einem kecken Augenzwinkern. Doch die Einigkeit duldet keinen Schabernack. Sie ist so ernst, dass selbst ein Clown bei ihrem Anblick die Schminke abwischen würde.
Vielleicht liegt die Lösung ja in der Rückbesinnung auf den Stolz der Uneinigkeit. Denn Uneinigkeit ist kein Fehler, sondern ein Schatz. Sie erlaubt uns, uns gegenseitig zu necken, zu widersprechen und uns über uns selbst lustig zu machen. Sie schafft Vielfalt und sie macht die Pizza wieder saftig.
Ich bin überzeugt: Wenn wir es schaffen, unsere Uneinigkeit zu feiern und die Einigkeit der Empörten ein wenig aufzulockern – vielleicht mit einem Witz oder zwei –, dann könnte die Welt wieder ein spannender, unvorhersehbarer Ort werden.
Bis dahin werde ich hier sitzen und beobachten. Empörte Menschen zu betrachten, ist immerhin eine der grossen Unterhaltungen unserer Zeit. Vorausgesetzt, man hält einen sicheren Abstand.
Euer, nicht ganz empörter, Vater.
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