Ach, wie wunderbar ist es doch, ein Guter zu sein!
- Der Vater
- 20. Aug. 2024
- 2 Min. Lesezeit

Ach, wie wunderbar ist es doch, ein Guter zu sein! Und wie bequem ist es heute, sich als solcher zu kennzeichnen. Man braucht nichts weiter zu tun, als sein Profilbild mit der richtigen Flagge zu schmücken, und schon gehört man zur auserwählten Schar der Tugendhaften. Die Welt weiss dann: „Aha, da ist einer, der auf der richtigen Seite steht!“ Es ist so einfach, dass es fast schon lächerlich ist – aber eben nur fast. Denn wer würde sich nicht gern von seiner besten Seite zeigen, wenn es so wenig Aufwand bedeutet?
Wie anders war es doch zu Zeiten eines gewissen Joseph Goebbels! Seine Spendenabzeichen-Aktionen waren weitaus komplizierter. Man musste etwas geben, um etwas zu bekommen, und dabei noch auf die richtige Propaganda-Linie achten. Aber Goebbels war ein kluger Kopf – und ich sage das ohne jegliche Bewunderung, versteht sich! – der schon damals erkannte, dass die Guten gekennzeichnet werden müssen. Denn wenn man nicht weiss, wer zu den Guten gehört, wie soll man dann erkennen, wer die Bösen sind?
Doch während wir uns heute mit Flaggen und Profilbildern schmücken, drängt sich mir der Gedanke auf: Ist das nicht viel zu einfach? Schlagen wir damit nicht den falschen Weg ein? Ein Symbol mag bequem sein, es mag uns die Illusion geben, auf der richtigen Seite zu stehen, aber reicht das wirklich aus? Ich wage zu behaupten: Nein, das tut es nicht.
Denn was ist eine Meinung wert, die nicht auch einmal hinterfragt wird? Ist es nicht gefährlich, sich so einfach mit einem Bildchen in eine Schublade zu stecken, in der man dann für alle Ewigkeit verbleibt? Goebbels hätte vermutlich Freudentänze aufgeführt, wäre ihm eine solche einfache Möglichkeit gegeben worden, Menschen zu kategorisieren. Doch genau darin liegt die Gefahr. Denn sobald wir uns auf ein solches Symbol verlassen, hören wir auf, kritisch zu denken. Wir überlassen das Denken den anderen – denen, die uns sagen, was gut und was böse ist.
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass ich der Meinung bin, man sollte seine Meinung täglich wechseln wie das Hemd. Das ist doch nur eine Frage der Hygiene! Flexibilität und Veränderung sind der Schlüssel zu einem wachen Verstand.
Das Flaggezeigen mag auf den ersten Blick als Akt der Solidarität erscheinen, aber ist es nicht letztlich nur ein Zeichen für unsere Bequemlichkeit? Anstatt uns tiefgreifender mit den Problemen der Welt auseinanderzusetzen, heften wir uns ein Abzeichen an und glauben, damit sei es getan. Doch die Welt ist komplex, und einfache Antworten sind selten die richtigen.
Vielleicht sollten wir uns daran erinnern, dass es nicht ausreicht, einfach „gut“ zu sein. Es erfordert mehr als ein Bildchen auf einem Bildschirm. Es erfordert Nachdenken, Zweifel, Diskussionen. Denn die wahre Hygiene des Geistes liegt nicht in der Reinheit eines Symbols, sondern in der ständigen Bewegung und Veränderung.
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