Huärä sagt man nicht!
- Der Vater
- 22. Aug. 2024
- 2 Min. Lesezeit

Ah, das ewige Drama des modernen Vaters – ein faszinierendes Schauspiel, bei dem das Publikum, bestehend aus Frau und Kind, oft mehr Fragen hat als Antworten. Stellen Sie sich vor: Am Stammtisch wird das Vokabular ausgepackt, das sich über Jahre der männlichen Sozialisation hinweg angesammelt hat – eine beeindruckende Sammlung von Flüchen, Obszönitäten und dem ein oder anderen kreativen Begriff, den man nur im trauten Kreise Gleichgesinnter zu hören bekommt. Doch kaum schlägt die Kirchturmuhr Mitternacht, verwandeln sich diese Männer – Verzeihung, Väter – in wahre Ritter der Tugend, die nicht mit Schwertern, sondern mit erhobenen Zeigefingern kämpfen.
Der Höhepunkt dieser Verwandlung? Der mahnende Moment, wenn der Sprössling das Wort „Huärä“ in den Mund nimmt. „Das sagt man nicht!“ – wie eine Litanei wird es dem armen Kind entgegen geschleudert, als hätte es den heiligen Gral entweiht. Man möchte fast applaudieren, so dramatisch ist diese Szene. Doch es bleibt ein bitterer Beigeschmack, eine gewisse Schizophrenie, die man nicht übersehen kann.
Es ist fast, als ob das männliche Gehirn in zwei Abteilungen aufgeteilt wäre: eine für den Stammtisch, die andere für die pädagogische Theateraufführung zuhause. Am Montagabend sitzt man noch mit den Kumpels zusammen, die Zunge schwer vom Bier, und bespricht in deftigsten Worten die Ungerechtigkeiten der Welt – natürlich mit dem ein oder anderen obszönen Ausdruck, der die Runden macht. Doch schon am nächsten Morgen, beim Frühstück mit der Familie, verwandelt sich dieser Mann in einen leuchtenden Pädagogen, dessen Worte so rein sind wie die frisch gewaschene Bettwäsche im Gästezimmer.
Und dann, mein Lieblingsmoment: Die Vater-Kind-Zugfahrt. Ein wahrer Trip in die Tiefen der Vorstadtpsyche. Hier sitzt er nun, der gestrige Wortakrobat, neben seinem Kind und bringt ihm bei, was sich gehört und was nicht. Man kann förmlich sehen, wie sich der Kopf des Kindes zu einem Fragezeichen verzieht. Was ist das für ein Mann, der gestern noch lautstark und ungehemmt über Gott und die Welt herzog, nur um heute ein wandelndes Lexikon der guten Manieren zu sein? Wer ist dieser Mensch wirklich? Der Tisch-Rambo oder der Zug-Kavalier? Die Antwort ist so simpel wie tragisch: Beide sind es, und das Kind durchschaut diese Komödie schneller, als der Vater es für möglich hält.
Comments