top of page

Ich will das dunkle, orange, alte Migros-Restaurant zurück

  • Der Vater
  • 30. Sept. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 1. Okt. 2024


Tarotkarten

Es gibt Themen von solcher Dringlichkeit und solchem Tiefgang, dass es fast schon ironisch wirkt, sie in einem Blogbeitrag zu behandeln. Doch ich kann nicht länger schweigen. Ich will das alte Migros-Restaurant zurück. Jenes nostalgische Refugium, in dem die Wände in einem Orange erstrahlten, das man nur als geräucherten Sonnenuntergang beschreiben kann, und die belegten Brötli nach einer warmen Umarmung in den 80er Jahren schmeckten.


Nun höre ich Sie, liebe Leser, leise kichern. „Ach, er ist einer von denen“, werden Sie sagen, „einer dieser Dinosaurier, der sich nach einer Zeit sehnt, die längst vergangen ist.“ Aber lassen Sie mich erklären. Es geht hier um weit mehr als blosse Nostalgie. Es geht um Magie – um jene unerklärliche, unsichtbare Energie, die nur an Orten herrscht, wo gelbe Glühbirnen flimmern, dunkle Böden leise knirschen und in der Luft ein sanftes Aroma von perfekten Schinkengipfelis hängt.


Ich war kürzlich in einem der neuen Migros-Restaurants. Sie wissen schon, diese modernen, glänzenden Tempel der Lichtdurchflutung. Helle LED-Strahler, riesige Fenster, minimalistische Sitzmöbel, kühl und sachlich. Einladend? Kaum. Wie soll man sich hier entspannen, geschweige denn sich die Zeit nehmen, in einem ruhigen Eckchen die Tarotkarten zu legen?


Denn, meine Damen und Herren, ich frage Sie: Wie soll man im strahlenden Licht der Moderne die Mysterien des Universums erforschen? Wie soll man ein Liebesorakel konsultieren, wenn man so geblendet wird, dass man nicht einmal die „Liebenden“ von der „Mässigkeit“ unterscheiden kann? Die Antwort ist so klar wie die gnadenlos sterile Beleuchtung: Gar nicht!


Die Magie des alten Migros-Restaurants lag in seiner Düsternis. Ja, es war dunkel. Aber Dunkelheit birgt Geheimnisse, sie nährt die Fantasie! Dort, in den orange-braunen Polstern, konnte man sich zurücklehnen und dem Schicksal die Chance geben, einzugreifen.


Heute aber? Die neuen Restaurants gleichen eher einem Ikea-Katalog als einem kulinarischen Rückzugsort. Die Wände sind in cleanen, pastelligen Farben gehalten. Jeder Tisch hat eine Steckdose. (Wer braucht zu einem Sellerie Brötli Strom?)


Im alten Migros-Restaurant hingegen konnte man sich in eine Ecke verkriechen und in Ruhe ein Tarot-Deck auf den Tisch ausbreiten. Die Atmosphäre war mystisch – nicht nur, weil man nie so ganz sicher war, wer sich das letzte Spargel Brötli schnappen würde.


Es war ein Ort, an dem man zu sich selbst finden konnte. Ein Ort, der wie geschaffen war für stille Introspektion, während man auf den zarten Klang von Besteck lauschte, das auf Teller fiel. Und ja, es war dunkel, aber es war gemütlich dunkel. Der sanfte Schein der sparsamen Glühbirnen warf lange Schatten, in denen man sich verlieren konnte.


Doch jetzt – in den neuen, hypermodernen Cafeterien der Migros – kann ich mich nur noch verloren fühlen. Verloren in der Helligkeit, verloren im sterilen Design. Keine dunklen Ecken mehr, keine orangefarbenen Polster, die an die besseren Zeiten erinnern. Und sicher kein Platz mehr für die Magie des Augenblicks, die in der stillen Dunkelheit des alten Migros-Restaurants wohnte.


Ich will es zurück. Das Orange. Das Dunkel. Den mystischen Hauch von Unwissenheit, ob das letzte Thon Brötli wirklich schon weg ist oder ob das Universum gerade ein weiteres Rätsel aufgedeckt hat. In den alten Migros-Restaurants konnte man nicht nur essen – man konnte träumen. Und genau das fehlt uns heute.


Vielleicht, wenn wir alle kollektiv unsere Tarotkarten in die Hand nehmen und im Chor „Das alte Orange zurück!“ flüstern, wird das Universum uns erhören. Oder zumindest die Migros-Cafeteria-Leitung.


Euer Kartenleger im Exil,

Der Vater

 
 
 

Commentaires


bottom of page