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Wir sind doch alles nur Menschen – und das ermüdet mich zutiefst

  • Der Vater
  • 3. Sept. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Mann langweilt sich

Es gibt da diesen Satz, den man ständig zu hören bekommt: "Wir sind doch alles nur Menschen." Ein Satz, der mittlerweile in seiner penetranten Banalität alles übertrifft, was man sich an müssigem Phrasendreschen vorstellen kann. Eine Redewendung, die sich wie ein Fussabtreter des Geistes anfühlt, auf dem all jene ihre Füsse abwischen, die nicht länger gewillt sind, über den Tellerrand hinauszudenken.


Natürlich, rein materiell gesehen stimmt das ja auch. Wir essen, wir trinken, wir urinieren und stuhlen. Wir haben Sex, wer mit wem oder was auch immer sei dahin gestellt, und wir tun all die anderen Dinge, die das Menschsein ausmachen. Wir lachen, wir weinen, wir fluchen, wir reden und schweigen, wir werden krank und am Ende sterben wir auch. Das ist das einfache, wenig glamouröse Einmaleins unserer Existenz, die biochemische Choreografie, der wir uns nicht entziehen können.


Doch seien wir doch einmal ehrlich – dieser Satz, diese fast schon verzweifelte Verkleinerung unserer selbst auf das rein Menschliche, ist nichts als eine bequemliche Kapitulation vor der Komplexität des Daseins. Da ist mehr, viel mehr. Ein Blick in den Spiegel verrät uns das nicht unbedingt, denn die Oberfläche unserer Haut, das Zucken unserer Muskeln, das Blut in unseren Adern – all das ist trivial. Eine Stunde des Nachdenkens aber, vielleicht sogar weniger, und man erkennt: Da ist etwas Tieferes, etwas Widersprüchliches, etwas, das sich nicht einfach so in einem Satz einfangen lässt.


Was mich dabei elendlich langweilt, ist diese plumpe "Wir sind doch alles nur Menschen"-Haltung. Es ist eine Einladung zur intellektuellen Bequemlichkeit, zur Gleichmacherei, die uns allesamt auf eine unscharfe, langweilige Masse reduziert. Wenn alles nur Mensch ist, dann ist nichts mehr besonders. Wir sind nicht mehr Individuen, keine einzigartigen, widersprüchlichen Wesen mit unseren ureigenen Gedanken, Gefühlen und Sehnsüchten. Wir sind nur noch Staubkörner im endlosen Sand der Menschheit, nichts, worüber es sich nachzudenken lohnt.


Und doch, denken wir kurz nach. Was bedeutet es, ein Mensch zu sein? Bedeutet es wirklich nur, ein Bündel biologischer Prozesse zu sein? Oder ist es nicht vielmehr unsere Fähigkeit, über uns selbst hinauszuwachsen, unsere eigene Existenz zu reflektieren, uns Fragen zu stellen, die über das Alltägliche hinausgehen? Ist es nicht gerade die Ambivalenz des Menschseins – die Fähigkeit, Gut und Böse zu sein, zu lieben und zu hassen, zu erschaffen und zu zerstören –, die uns ausmacht?


Aber nein, lassen wir das. Ich will hier nicht weiter auf die Ambivalenz des Menschen eingehen, auch nicht auf die Tatsache, dass der Mensch nicht nur Materie ist. Das wäre zu ermüdend, zu selbstverständlich. Was mich viel mehr beschäftigt, ist diese träge, abgestumpfte Haltung, die sich in der Redewendung "Wir sind doch alles nur Menschen" manifestiert. Eine Haltung, die nichts anderes ist als ein intellektuelles Gähnen, ein Abwinken des Geistes, eine Flucht vor der Verantwortung, die uns als denkende Wesen auferlegt ist.


Denn was wir dabei vergessen, ist die Schönheit des Menschseins, die in seiner Komplexität liegt. Es ist diese unerschöpfliche Tiefe, die uns dazu zwingt, immer wieder nachzudenken, uns zu hinterfragen, uns selbst zu überwinden. Eine Herausforderung, die uns weit über das hinausführt, was wir uns in den engen Grenzen unseres Alltags vorstellen können.


Also bitte, verschont mich mit diesem abgedroschenen Satz. Denn wenn wir wirklich nur Menschen sind, dann sollten wir das auch ernst nehmen und uns nicht in die Abgründe der Mittelmässigkeit stürzen. Wir sollten erkennen, dass das Menschsein weit mehr ist als nur eine biologische Tatsache. Es ist eine Reise, ein Abenteuer, eine endlose Suche nach Sinn und Bedeutung – eine Suche, die sich nicht mit banalen Phrasen abspeisen lässt.

 
 
 

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